
Energieverwirrung in Stuttgart und anderswo
Nun, Stuttgart ist nicht der Held in Sachen Energiewende. Seit 1990 werden Ziele beschlossen und regelmäßig verfehlt, man hat Energiekonzepte erstellt, aber keinen Umsetzungsplan. Im Jahr 2011 wurden dann endlich Stadtwerke gegründet, die eigentlich der Motor der Stuttgarter Energiewende hätten sein sollen. Nach einem hoffnungsvollen Beginn, dümpeln sie seit 10 Jahren als Stromverkäufer und Elektrorollervermieter vor sich hin.
Seit dem Ukrainekrieg und der Ampelregierung überschlagen sich die Ereignisse: Die EU bastelt gerade an einer Erweiterung der Ökodesign-Richtlinie für Heizungen und an Vorgaben zur Wärmedämmung von Gebäuden. Hier wird festgelegt, welche Heizungen zukünftig noch verkauft werden dürfen und wie Häuser isoliert werden müssen. Der Bund erregt die ganze Republik derzeit mit dem Gebäudeenergiegesetz, das wie die EU-Ökodesignvorgabe die Effizienz von Gebäudeheizungen regeln soll und mit der EU-Regelung höchstwahrscheinlich nicht kompatibel sein wird. The Länd hat darüber hinaus bereits eine gesetzliche Verpflichtung zur kommunalen Wärmeplanung verabschiedet.
Das ist eigentlich der Schritt, der der Auswahl von Heizungssystemen und der energetischen Sanierung von Gebäuden vorausgehen muss. Nur so kann eine sachgerechte Entscheidung getroffen werden. Wenn die Stadt beispielsweise einen Fernwärmeanschluss für ein bestimmtes Gebäude vorsieht, macht es keinen Sinn, eine Wärmepumpe einzubauen. Nun, um die Verwirrung weiterzutreiben, arbeitet der Bund ebenfalls an einem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung, das vermutlich nicht ganz zur Landesgesetzgebung passen wird.
Aber bevor jetzt alle total verwirrt sind. Wie ist denn die Situation in Stuttgart? Eigentlich einfach!
Bis zum 31.12.2023 muss die Stadt eine Wärmeplanung vorlegen. Und sie arbeitet daran, allerdings soll diese Wärmeplanung unter Beteiligung der Interessengruppen und der Verbände erfolgen. An letzterem hapert es noch gewaltig.
Wie ist der Stand? Im März 2023 wurde die Ramboll-Studie „Klimaneutrale Fernwärme im Stadtgebiet der Landeshauptstadt“ vorgestellt. Die Stuttgarter Umweltverbände, darunter auch die NaturFreunde, konnten die Kernaussage der Studie nicht nachvollziehen: „Die Untersuchung hat sehr deutlich hervorgebracht, dass Fernwärme per se weder regenerativ noch besonders kostengünstig ist. Vielmehr ist sie eine hochinvestive Infrastruktur zur Verteilung von Wärme.“ Für Stuttgart wurde daher empfohlen auf den individuellen Einbau von Wärmepumpen zu setzen. Ein „netter“ Nebeneffekt dieser gutachterlichen Empfehlung wäre natürlich, dass die Investitionsaufwände beim Häuslebesitzer und damit letztendlich bei den Mietern hängen bleiben würden. Die Stadt käme in diesem Fall mit einigen Förderprogrammen recht „kostengünstig“ weg.
Ramboll erklärt jedoch auf seiner Homepage selbst: „Fernwärme ermöglicht eine besonders kosteneffektive und klimaschonende Wärmeversorgung“, nur in Stuttgart nicht?! Inzwischen liegt eine von KUS angefragte Stellungnahme von Herrn Dipl. Ing. Helmut Böhnisch, ehemaliger Leiter des Kompetenzzentrums Wärmenetze bei der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA-BW), vor. Darin kommt er zum Ergebnis:
“… die Aussage der Ramboll-Studie, dass die klimaneutrale Fernwärme in Stuttgart höhere Wärmekosten verursacht, als die dezentrale Versorgung mit individuellen Luft-Wasser-Wärmepumpen kann nicht aufrechterhalten werden!“
Seitens der Öko-sozialen Fraktionen wird der Rambollansatz ebenso wie von den Umweltverbänden kritisiert. Individuelle Lösungen belasten Hausbesitzer und Wohnungseigentümer extrem und werden die Wärmewende durch die Vielzahl der daraus entstehenden Einzelprobleme massiv behindern und nicht beschleunigen. Zudem würden die zahlreichen Genehmigungen und die Bearbeitung der damit verbundenen Einwendungen, angesichts des notorischen Personalmangels bei der Stadt, zusätzlich Zeit kosten.
Welchen Weg die Stadt einschlagen wird, ist offen. Das Amt für Umweltschutz hält sich hier bedeckt bzw. will selbst das Heft in der Hand halten. Es zeichnet sich aber ab, dass man seitens der städtischen Akteure Wert darauf legt, die Kosten für die Stadt in Grenzen zu halten.
Ohne eine frühzeitige Information und Beteiligung der Betroffenen wird die Planung auf Widerstand stoßen und im schlechtesten Fall im Kleinklein rechtlicher Auseinandersetzungen stecken bleiben. Die Stadt plant aktuell nur einige Veranstaltungen nach der Sommerpause. Das ist aus Sicht der NaturFreunde bei weitem keine ausreichende Information und über die rechtlich gebotene Beteiligung der Verbände und Interessengruppen ist derzeit nichts verbindliches bekannt.
Wir NaturFreunde treten dafür ein, dass die Wärmewende sozial verträglich und unter aktiver Beteiligung der Bürger stattfindet. Hier haben kollektive Lösungen in Form von Nah- und Fernwärme unbestreitbare Vorteile. Dies zeigen auch die Erfahrungen aus Dänemark.
Für die Innenstadt, wo bereits ein Fernwärmenetz besteht, ist eine Nachverdichtung und ein Ausbau erforderlich. Dazu muss das Fernwärmenetz der EnBW schnellstmöglich zurück in kommunale Hand. Eine Nachverdichtung oder gar ein Ausbau der Fernwärme wird mit der EnBW nicht zu machen sein. In den Randbezirken, beispielsweise auf den Fildern, müssen Nahwärmenetze neu aufgebaut werden. Eine solche Herkulesaufgabe kann nur die Stadt bzw. deren Stadtwerke bewältigen.
Es gibt immerhin einen Lichtblick, die Stadtwerke werden mit deutlich mehr Personal ausgestattet. Allerdings kommt diese Stärkung zu spät für die aktuelle Wärmeplanung. Zukünftig werden die Stadtwerke damit erstmals in die Lage versetzt, eine aktive Rolle bei der Energiewende in Stuttgart zu spielen. Wir sind gespannt…
Wir NaturFreunde bleiben weiter am Ball und bieten auch gerne Referate zur Energiewende in Stuttgart an.